Drama | Norwegen 2006 | 105 Minuten
Regie: Joachim Trier
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Zwei angehende Schriftsteller, Mitglieder einer verschworenen Männer-Clique, müssen sich im Oslo der Gegenwart mit Erfolgen, Niederlagen, dem Alltag im Literaturbetrieb sowie widersprüchlichen Liebeserfahrungen auseinander setzen. Der dynamische Debütfilm lässt sich auch formal souverän ganz auf den verspielten Umgang seiner Protagonisten ein, die er detailfreudig auf der Suche nach sich selbst beobachtet. Immer wieder bricht er dabei den linearen Erzählfluss auf und konterkariert melodramatische Entwicklungen geschickt durch eine auktoriale, ironische Erzählstimme sowie den Einsatz des Konjunktivs. - Sehenswert ab 16.
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Auf Anfang (2006)
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Filmdaten
- Originaltitel
- REPRISE
- Verweistitel
- Auf Anfang (2006)
- Produktionsland
- Norwegen
- Produktionsjahr
- 2006
- Produktionsfirma
- Spillefilmkompaniet 4 1/2/Filmlance Int.
- Regie
- Joachim Trier
- Produzenten
- Karin Julrsrud · Lars Blomgren
- Buch
- Joachim Trier · Eskil Vogt
- Kamera
- Jakob Ihre
- Musik
- Ola Fløttum · Knut Schreiner
- Schnitt
- Olivier Bugge Coutté
- Kinoverleih
- MFA
- DVD-Verleih
- MFA Video (1:1,85
16:9
Norweg DD 5.1) - Erstaufführung
- 2.8.2007
3.6.2008 DVD
16.4.2009 WDR
- Darsteller
- Espen Klouman Høiner (Erik) · Anders Danielsen Lie (Phillip) · Viktoria Winge (Kari) · Christian Rubeck (Lars) · Pål Stokka (Geir) · Odd-Magnus Williamson (Morten) · Henning Elvestad (Henning) · Rebekka Karijord (Johanne)
- Länge
- 105 Minuten
- Kinostart
- -
- Fsk
- ab 12; f
- Pädagogische Empfehlung
- - Sehenswert ab 16.
- Bewertung
- Sehenswert
- Fd-Nummer
- 38258
- Genre
- Drama
- Externe Links
- IMDb | TMDB | JustWatch
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Heimkino
Eine Filmkritik von
Hans-Jörg Marsilius
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Gegen Ende des Films, der in erster Linie von den Erlebnissen zweier angehender junger Schriftsteller im heutigen Oslo handelt, erhält eine der beiden Hauptfiguren von seinem großen Dichter-Idol sinngemäß den Tipp: „Du schreibst gut, bis auf das Ende. Du solltest nicht poetisch werden!“ Auch Regisseur Joachim Trier hat sich dies bei seinem Debüt „Auf Anfang“ zu Herzen genommen. Was aber keineswegs heißen soll, er ließe in seinem Film keinen Platz für romantische Zwischentöne, ja für Verzweiflung und künstlerischen Freiheitsdrang. Doch sobald dergleichen über Hand zu nehmen droht, greift Trier zum bewährten Mittel der Ironie. Und das fällt ihm nicht schwer, denn die Clique, in der sich Erik und Phillip bewegen, scheint kaum etwas ernst zu nehmen im Leben und erfindet sich ständig neu. Eine Osloer – quasi postmoderne – „lost generation“, die aber noch nicht den Hauch jener Erfahrungen gesammelt hat, die das Schreiben ihrer großen amerikanischen Vorbilder in Paris maßgeblich geprägt hat.Ironie ist das eine, der Konjunktiv das andere. Die Möglichkeitsform setzt Trier in seinem Film gleich zweimal in Szene, was ziemlich gemein ist. Am Anfang und am Ende lässt er den Zuschauer im Regen stehen und distanziert sich damit gewissermaßen von seiner Geschichte und ihren Figuren. Nun ist das beim ersten Mal nicht so schlimm, denn beim zweiten Anlauf, die Geschichte in Gang zu setzen – der Reprise mit einigen nicht unwichtigen Variationen und Verschiebungen –, erzählt er ja dann doch ohne Wenn und Aber. Am Ende allerdings bleibt man düpiert zurück und wundert sich über ein Filmende ohne einen echten Schluss. Und weiß schlimmstenfalls nicht einmal – da alles ziemlich überraschend geschieht –, ab welchem Punkt denn alles nichts als reine Fantasie war. Dennoch ist man bereit, dem ziemlich frech und selbstbewusst daherkommenden Debütanten auch dies zu verzeihen.Doch zurück auf Anfang. Erik und Phillip stehen am Beginn einer Karriere als Schriftsteller. Was nach dem Einwurf des Manuskripts in den Briefkasten passieren könnte, wird im Film in wenigen furiosen Minuten mittels Standbildern, effektvoll musikalisch untermalt (u.a. Delerue) und mit auktorialem Off-Erzähler versehen, vorgestellt: schneller Ruhm; Hochmut; unglückliche Liebe; Schreibblockade; Wiedersehen und Neubeginn; das Buch, das die Welt verändert. Doch erstens kommt es anders, und zweitens .... Man kennt die Querschläge des Lebens ja aus eigener Erfahrung. Während Eriks Text abgelehnt wird, avanciert Phillip zur literarischen Entdeckung der Saison – nervlicher Zusammenbruch inbegriffen. Als er nach sechs Monaten Psychiatrie wieder in den Schoß seiner Clique zurückkehrt, nimmt er auch wieder Kontakt zu seiner Freundin Kari auf, die seine Mutter als Schuldige an dem Kollaps ausgemacht hat. Von nun an geht es weniger um die Karrieren von Erik und Phillip, sondern um eine Art Künstlerbohème, die sich allerdings wenig Sorgen um ihr ökonomisches Auskommen machen muss. Die nur aus jungen, sich betont frauenabweisend gebenden Männern bestehende Gruppe, die Trier mit wunderbar leichter Hand in ihrem In-den-Tag-hinein-leben skizziert, bildet das Zentrum der Handlung. Um sie herum kreisen wie Satelliten Kari und Eriks Freundin Lillian, später kommt noch Johanne dazu, eine Verlagsassistentin, die an Erik interessiert ist. Zu einer einigermaßen ernst zu nehmenden Abrechnung mit dem Literaturbetrieb kommt es – wie man erwarten könnte – nicht. Dafür sind die Beobachtungen von Autor-Lektor-Begegnungen, Verlagspartys und das Literatenversteckspiel à la Pynchon zu plakativ. Allerdings entschädigt der Film mit einer raffinierten Erzählweise, die ständig den linearen Ablauf unterbricht, Randepisoden des Cliquenlebens spontan hervorhebt, um sie genauso schnell wieder abzulegen. Am stärksten interessiert sich Trier noch für Phillip und Kari, die er auf einem Trip nach Paris begleitet, wo sie die Leichtigkeit des Seins vor Phillips Absturz wiederzufinden hoffen – was aber gerade an der Last der Erinnerung scheitert. Wie die Nouvelle Vague die Regeln des Filmemachens auf den Kopf stellte, so unverkrampft geht Trier mit seinem Cutter Olivier Bugge Coutté in der Montage mit Bild und Ton um. Was vielleicht nicht alles ganz neu ist, aber beim Zuschauen Spaß macht, da es die Grenze zum Prätentiösen zwar tangiert, aber nicht überschreitet, und zum spielerischen Charakter des Films – spiegelbildlich zu dem seiner Protagonisten – beiträgt. Neben Triers lässig-einfallsreicher Inszenierung, mit der er wie sein dänischer Namensvetter gekonnt die Klaviatur der Emotionen bedient, sind die Darsteller das große Plus des Films. Teilweise ohne Schauspielerausbildung, beeindrucken sie mit ihren unverbrauchten Gesichtern und einem intensiven Spiel, allen voran Anders Danielsen Lie als Phillip. Mit ihnen taucht der Zuschauer in diesen kleinen Kosmos ein und ist am Ende so vertraut mit ihren Gesten und Spleens, als kenne er sie schon seit Jahren.
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